Nov 19 / Teresa | Doctorflix

Lipödem und Adipositas: Wie Gewichtsreduktion den Behandlungserfolg beeinflusst

Wenn Schmerzen, Hämatomneigung und eine ausgeprägte Fettvermehrung an den Beinen auftreten, liegt der Verdacht auf ein Lipödem nahe. Kommt zusätzlich eine Adipositas hinzu, verändert das den Verlauf und die therapeutischen Möglichkeiten deutlich. Dieser Artikel zeigt dir, wie eng beide Erkrankungen miteinander verknüpft sind und warum ein strukturiertes Gewichtsmanagement für den Therapieerfolg unverzichtbar ist.
Illustration eines entzündeten menschlichen Auges mit ausgeprägter Rötung der Bindehaut (Konjunktivitis) und der unteren Augenlider, typisch für eine Xerophthalmie im Rahmen des Sjögren-Syndroms. Über dem Auge ist eine deutlich geschwollene, rötlich-gelappte Struktur dargestellt, die eine vergrößerte Tränendrüse symbolisiert – möglicherweise durch lymphozytäre Infiltration. Die Szene verdeutlicht typische ophthalmologische Manifestationen bei Autoimmunerkrankungen mit Sicca-Symptomatik.
Hinweis: Die Inhalte auf Doctorflix sind ausschließlich für Ärzte und medizinisches Fachpersonal bestimmt. Sie dienen der fachlichen Fortbildung und sind nicht für Laien geeignet.

Das Lipödem im Überblick

Das Lipödem ist eine chronische, fortschreitende Erkrankung des Unterhautfettgewebes, die zu einer symmetrischen und meist schmerzhaften Fettvermehrung, insbesondere an den Beinen führt. Die Arme können ebenfalls betroffen sein, der Rumpf bleibt im Verhältnis jedoch schlanker, sodass eine charakteristische Disproportion entsteht. Typisch sind druckschmerzhafte Beine, spontane Schmerzen, eine erhöhte Hämatomneigung, kühle Haut und ein deutlich sichtbarer Übergang zwischen betroffenem und gesundem Gewebe. Die Erkrankung betrifft fast ausschließlich Frauen.1-3
Die Pathophysiologie des Lipödems ist noch nicht vollständig geklärt, jedoch spielen hormonelle Einflüsse (insbesondere Östrogen), genetische Prädisposition und vaskuläre Dysfunktionen eine Rolle. Die Erkrankung manifestiert sich oft in Phasen hormoneller Umstellung wie Pubertät, Schwangerschaft oder Menopause.4-5

Das Lipödem ist klar von Adipositas und Lymphödem abzugrenzen. Eine Gewichtsreduktion hat nur geringen Einfluss auf die Fettverteilung, und typische lymphatische Veränderungen fehlen.3,6 Therapeutisch kommen konservative Maßnahmen wie Kompression, Lymphdrainage, Bewegungstherapie und Hautpflege infrage. Die Liposuktion in Tumeszenzanästhesie gilt als wirksamste operative Methode und ist Bestandteil moderner Behandlungskonzepte.2,7

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Die Schnittstelle zwischen Lipödem und Adipositas

Lipödem und Adipositas sind zwei eigenständige Krankheitsbilder, die in der Praxis jedoch häufig gemeinsam auftreten. Während das Lipödem durch eine disproportionale und schmerzhafte Fettvermehrung an den Extremitäten gekennzeichnet ist, zeigt die Adipositas eine generalisierte Zunahme des Fettgewebes am gesamten Körper. Mehr als die Hälfte der Patientinnen mit Lipödem sind zusätzlich adipös, und die Häufigkeit nimmt mit steigendem Lipödem-Stadium weiter zu.8,9

Pathophysiologisch unterscheiden sich beide Erkrankungen deutlich. Das Fettgewebe beim Lipödem weist eine veränderte Genexpression, mehr Fibrose und eine andere Immunzellinfiltration auf.10,11 Trotz erhöhtem BMI haben Patienten mit Lipödem insgesamt ein günstigeres metabolisches Risiko als rein adipöse Petienten.12 Auffällig ist, dass die Fettverteilung beim Lipödem gegenüber Gewichtsreduktion weitgehend resistent bleibt, sodass selbst nach deutlicher Gewichtsabnahme die Proportionen und Beschwerden häufig bestehen.13

Diagnostisch ist die Abgrenzung anspruchsvoll, da BMI und andere Parameter die Adipositas oft überschätzen und die Erkennung des Lipödems erschweren.14 Das gleichzeitige Vorliegen beider Erkrankungen verstärkt die Krankheitslast und bedarf einen multimodalen therapeutischen Ansatz.8,9,12

Warum Gewichtsreduktion so entscheidend ist

Eine Gewichtsreduktion ist vor allem dann entscheidend, wenn zusätzlich eine Adipositas vorliegt, da diese die Symptomatik verschlechtert, das Risiko für Komorbiditäten erhöht und das Fortschreiten des Lipödems fördert.9,15 Eine Reduktion des Körpergewichts kann Belastung, Mobilität, Lebensqualität und Begleiterkrankungen verbessern, und Studien zeigen, dass hypokalorische, ketogene oder kohlenhydratreduzierte Ernährungsformen BMI, Körpergewicht, Umfangmaße, Schmerzen und Entzündungsparameter positiv beeinflussen können.16,17 Die disproportionale Fettverteilung und typische Beschwerden bleiben jedoch meist bestehen. Da Adipositas die Diagnostik erschwert und die Progression begünstigt, ist eine Gewichtsreduktion essenziell zur Senkung der Gesamtmorbidität, auch wenn sie das Lipödem nicht kausal behandelt. Die Therapie sollte multimodal erfolgen und Gewichtsmanagement, Kompression, Bewegungstherapie und ggf. chirurgische Maßnahmen einschließen.1,18
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Multimodales Therapiekonzept des Lipödems

Achtung: Dieser Artikel ist für medizinische Fachkräfte und Ärzte bestimmt und stellt keine Behandlungsempfehlung dar. Therapieentscheidungen werden nur von Ärzten aufgrund der individuellen Patientensituation getroffen. Konsultiere im Zweifel einen Facharzt. 

Konservative Therapie

Die konservative Therapie umfasst die komplexe physikalische Entstauungstherapie mit Kompression, manueller Lymphdrainage und Bewegungstherapie.18,19 Eine multimodale und interdisziplinäre Betreuung ist wichtig, da einzelne Maßnahmen nur begrenzt wirken und die Evidenzlage insgesamt limitiert bleibt.18

Ernährung und Gewichtsreduktion

Ernährungsinterventionen und Gewichtsreduktion sind vor allem bei begleitender Adipositas relevant. Sie verbessern metabolische Komorbiditäten und die allgemeine Belastung, haben jedoch nur einen geringen Einfluss auf die disproportionale Fettverteilung und typische Lipödem-Beschwerden.13,17,20,21 Ketogene und kohlenhydratreduzierte Diäten können BMI, Körpergewicht, Umfangmaße und Schmerzen reduzieren, wobei die Evidenz methodische Einschränkungen und kleine Fallzahlen aufweist.17,21

Chirurgische Therapie

Die Liposuktion ist die einzige Methode, die eine dauerhafte Reduktion des krankhaft vermehrten Fettgewebes ermöglicht und der konservativen Therapie hinsichtlich Schmerzreduktion und Lebensqualität überlegen sein kann.16,18,19 Sie ist jedoch nicht kurativ und mit Risiken wie Infektionen, Lymphgefäßverletzungen und Narbenbildung verbunden.18

Neue pharmakologische Ansätze

Neue pharmakologische Ansätze wie der duale GLP-1/GIP-Agonist, zeigen vielversprechende metabolische, antiinflammatorische und antifibrotische Effekte. Für das Lipödem liegen jedoch keine direkten klinischen Daten vor, sodass der Einsatz derzeit experimentell bleibt.22
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Fazit

Lipödem und Adipositas beeinflussen sich gegenseitig und verstärken Beschwerden, Entzündungsprozesse und funktionelle Einschränkungen. Eine erfolgreiche Lipödem Behandlung ist nur im Zusammenspiel mit einem konsequenten und strukturierten Gewichtsmanagement möglich. Ernährungsprogramme, Bewegungstherapie und moderne medikamentöse Optionen verbessern sowohl konservative als auch operative Ergebnisse nachhaltig. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und eine klare ärztliche Begleitung führen langfristig zu den besten Ergebnissen.
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Quellen

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