Dec 10 / Vicky | Doctorflix

DGN 2025: Wissen als Motor – Die Neurologie an der Schwelle zu neuen Therapien

Der DGN 2025 macht deutlich, wie rasant sich die Neurologie verändert. Neue Antikörpertherapien, Blut Biomarker und praxisnahe Konzepte treffen auf eine Versorgungsrealität, die vor organisatorischen Herausforderungen steht und die Frage aufwirft, wie moderne Spitzenmedizin im Alltag ankommt.
Illustration eines entzündeten menschlichen Auges mit ausgeprägter Rötung der Bindehaut (Konjunktivitis) und der unteren Augenlider, typisch für eine Xerophthalmie im Rahmen des Sjögren-Syndroms. Über dem Auge ist eine deutlich geschwollene, rötlich-gelappte Struktur dargestellt, die eine vergrößerte Tränendrüse symbolisiert – möglicherweise durch lymphozytäre Infiltration. Die Szene verdeutlicht typische ophthalmologische Manifestationen bei Autoimmunerkrankungen mit Sicca-Symptomatik.

Einblicke in den 98. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie

Lange haftete der Neurologie das Klischee an, ein Fach der brillanten Diagnostik, aber der begrenzten therapeutischen Konsequenzen zu sein. Wer die Hallen des 98. DGN-Kongresses in Berlin durchschritt, spürte, dass dieses Bild endgültig der Vergangenheit angehört. Die Stimmung war geprägt von einem fundamentalen Identitätswandel: Die Neurologie entwickelt sich rasant zu einer interventionellen Disziplin. Doch die Aufbruchstimmung in den wissenschaftlichen Sitzungen traf auf den Fluren auf eine nüchterne Versorgungsrealität. Die Frage lautet nicht mehr: „Können wir behandeln?“, sondern: „Wie setzen wir diese High-Tech-Medizin logistisch um?“

Hot Topic Nr. 1: Antikörpertherapien bei Alzheimer

Das dominierende Thema, das sich durch zahlreiche Symposien und die gut besuchten „Hot Topics“-Sitzungen zog, war die kausale Therapie neurodegenerativer Erkrankungen. Mit der Einführung von Anti-Amyloid-Antikörpern steht das Fachgebiet vor einer Zäsur.

In den Diskussionen wurde deutlich, dass die wissenschaftliche Evidenz für die Plaque-Reduktion zwar robust ist, die klinische Implementierung jedoch massive Hürden birgt. Experten mahnten eine präzise Patientenselektion an. Nicht jeder Patient mit kognitiven Defiziten profitiert, und das Risiko von ARIA (Amyloid-Related Imaging Abnormalities) erfordert ein engmaschiges Sicherheitsnetz.

Hier kollidiert die medizinische Leitlinie mit der Infrastruktur: Die Notwendigkeit regelmäßiger MRT-Kontrollen zur Überwachung von Ödemen oder Blutungen trifft auf eine radiologische Versorgungslage, die vielerorts bereits am Limit ist. Für den niedergelassenen Neurologen und die Klinikambulanz bedeutet dies, dass Therapieentscheidungen künftig nicht nur von der Pathologie, sondern auch von der Verfügbarkeit von MRT-Slots und Infusionsplätzen abhängen könnten.

Hoffnungsträger Blut-Biomarker

Als Antwort auf dieses „Nadelöhr“ rückte ein weiteres Innovationsfeld in den Fokus: Blutbasierte Biomarker. In den Sitzungen zur Diagnostik wurde intensiv diskutiert, inwieweit Marker wie p-Tau im Blutplasma künftig die aufwendige Liquordiagnostik oder PET-Scans zumindest als Triage-Instrument ersetzen können.

Die Datenlage, die unter anderem in den „Science in Progress“-Formaten präsentiert wurde, stimmt optimistisch. Ein zuverlässiger Bluttest würde es ermöglichen, die große Zahl an Patienten in der Primärversorgung effizient zu filtern und Ressourcen gezielt für jene Fälle einzusetzen, die für eine spezifische Antikörpertherapie infrage kommen. Dies wäre ein entscheidender Schritt, um die Spitzenmedizin in die Breite zu bringen.

Praxisrelevanz in „Klinik kompakt“

Dass der DGN nicht nur im Elfenbeinturm der Forschung agiert, zeigten die „Klinik kompakt“-Formate. Hier stand der direkte Nutzen für den Dienst und die Praxis im Vordergrund. Themen wie die Akutversorgung neuropsychiatrischer Syndrome oder die differenzierte Bildgebung bei Schwindel boten konkrete Handlungsanweisungen. Diese Erdung tat dem Kongress gut und erinnerte daran, dass neben den großen molekularen Durchbrüchen die klinische Blickdiagnose und das handwerkliche Geschick essenziell bleiben.

Fazit

Der 98. DGN-Kongress hat gezeigt, dass die Neurologie das vielleicht dynamischste Fachgebiet der aktuellen Medizin ist. Die Werkzeuge, um Krankheitsverläufe kausal zu verändern, liegen auf dem Tisch. Die Herausforderung der kommenden Jahre wird nicht mehr primär im Labor liegen, sondern in der Organisation. Es gilt, Versorgungsstrukturen zu schaffen, die diese neuen Therapien sicher und finanzierbar zum Patienten bringen. Für die Fachärzteschaft bedeutet dies: Die Arbeit wird komplexer, technischer, aber auch wirksamer als je zuvor.

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